In Deutschland, 1989 – 2024

Im Januar 1989 kam Raúl Avellaneda, als Mitglied der Grupo Chaclacayo, nach Deutschland, um hier das Projekt „TODESBILDER – Perú oder Das Ende des europäischen Traums“ in mehreren deutschen Städten zu präsentieren.

„Ich verließ mein Land mit gemischten Gefühlen, mein Herz war zerrissen, mir war bewusst, dass ich unter den gegebenen politischen Umständen, mein Land nicht mehr betreten könnte. Ich nahm ein trauriges und beklemmendes Gefühl der Ohnmacht mit. Neue Perspektiven für die weitere Entwicklung unserer Arbeit in Europa sollten ausgebaut werden. Wir planten das, in Perú angefangene, Projekt in Europa weiter zu entwickeln. Vom Europäischen Boden aus (es wurde an Spanien als Kolonialland gedacht) wollten wir, aus der Perspektive der „anderen Seite der Medaille“, Einblicke in die Ursprünge des Kolonialismus und seine konkreten Todesfolgen darstellen. Wir fanden Aufnahme im Haus von Ruth Johow. Frau Johow war die wichtigste Person für Helmut Psotta und hatte mit großer Loyalität uns Peruaner mit Hund und Katze aufgenommen.

Das Haus stand abseits von allem in Gahlen, Gemeinde Schermbeck, umgeben von wilden Pflanzen, Vögeln und Wäldern. Ich fühlte mich dort sehr geborgen, Frau Johows Verbundenheit und Kreativität begleitete mich bis zu ihrem Tod im Winter 1991.“

Das Gahlener Haus, Februar 1990, Foto: Raúl Avellaneda

Doch es kam alles anders: Sergio Zevallos distanzierte sich, bei Beendigung der Tournee in Deutschland, im Sommer 1990, von den gemeinsamen Absichten der Gruppe und erreichte damit die Auflösung der langjährigen Arbeit der Grupo Chaclacyo.

„Helmut und ich konnten den Wandel in Sergios Gesinnung nicht verstehen. Unsere emotionale Bindung mit ihm war so stark gewesen, dass wir lange Zeit brauchten, um uns endgültig damit abzufinden. Ich blieb an Helmuts Seite und wir wohnten gemeinsam im Gahlener Haus. Helmut begegnete, nach einem Jahrzehnt, seinen chilenischen und holländischen Arbeiten wieder und setzte sich mit diesen zahlreichen Werken, seiner Vergangenheit, auseinander. Ich war von der Kraft dieser Arbeiten, die er vor unserem Kennenlernen geschaffen hatte, fasziniert.“

Raúl Avellaneda und Helmut Psotta lebten und arbeiteten, im Gahlener Haus, an verschiedenen Zyklen. Klaus Wittkamp, der die Gruppe in Lima besuchte und seit ihrem Aufenthalt in Deutschland begleitete, blieb der Sache gegenüber solidarisch und stand Psotta und Avellaneda, mit großer Überzeugung, zur Seite.

Im Jahr 1991 lernte Avellaneda die bekannte Kölner Galeristin Inge Baecker kennen. Frau Baecker besuchte das Haus und traf die Entscheidung, die Installation „Portrait eines Peruanischen Generals“, die Avellaneda als Teilnehmer der Grupo Chaclacayo im Jahr 1987 realisiert hatte, in Köln zu präsentieren. Der Künstler schuf zahlreiche neue Zeichnungen über General Cabrejos Mejía in seinem Atelier, die als Teil des Projektes in der Galerie Inge Baecker im Jahr 1991 ausgestellt wurden.

Mehrere Versuche, Avellanedas Werk in der Bundesrepublik zu präsentieren, scheiterten an seiner Weigerung die bis dahin entstandenen Werke zu kommerzialisieren.

„Ich war dem Tod und der Folter entkommen, die kommerziellen Absichten des europäischen Kunstbetriebs passten nicht zu meiner inneren emotionalen Situation.“

Avellaneda suchte erneut ein Refugium in seiner künstlerischen Arbeit, auf diese Weise entstanden, in Gahlen, die Serien „Variationen über Leonardos Köpfe“ und zahlreiche weitere Werke.

„Ich hockte erneut im dunklen Atelier auf dem Boden, zeichnete und konstruierte Objekte, die meine zerrissene innere Befindlichkeit wiedergaben. Ich vermisste den Geruch nach Andenhöhe, nach Retama und Huacatay…“

Im Jahr 1994 nahm Avellaneda Kontakt mit dem Essener Galeristen Klaus Kiefer auf, dort beteiligte er sich an mehreren Gruppenausstellungen bis zum Jahr 2016.

Im Sommer 1995 gründete Avellaneda die „Gruppe Nebelhorn“, um mit behinderten und nicht behinderten Menschen ein künstlerisches Projekt zu erarbeiten, das alle bildenden und multimedialen Ausdrucksmöglichkeiten umfasst. Das Atelier ist ein offener Raum geworden, in dem alle ihren Phantasien eine Gestalt geben können.

„Meine Begegnung mit allen Randgruppen der Gesellschaft, vereint durch die gemeinsame künstlerische Arbeit, gab mir ganz neue Impulse, die erneut mein gesamtes Wissen und Können in Frage stellten. Ich bin von der Direktheit der ästhetischen Äußerungen fasziniert. Die innere Notwendigkeit des künstlerischen Ausdrucks, die ausgestoßene Menschen aufgrund ihres „Andersseins“ sichtbar machen, erweckten in mir Erinnerungen.“ 

Über Ausstellungen und öffentliche Aktionen zeigt Nebelhorn einem breiten Publikum regelmäßig die Resultate des gemeinsamen künstlerischen Austauschs.

Einige Teilnehmenden der Gruppe Nebelhorn, Schermbeck, 2012

Helmut Psotta realisierte, zwischen 2004 und 2009, drei Workshops mit Teilnehmenden der Gruppe: „Spiegelbilder“, „Der Erlkönig“ und „Der Zauberlehrling“.

Inzwischen ist die Arbeit der Gruppe überregional bekannt. Mehr darüber unter: www.nebelhorn.org

1999 zog H. J. Psotta aus dem gemeinsamen Haus in Gahlen nach Berlin, um zusammen mit Arndt Beck an dem Foto Essay Autopsie 2000 – Stillstand der Geschichte zu arbeiten. Er blieb in regelmäßigem Kontakt mit Avellaneda, der in einem Haus, am Rande der Gemeinde Schermbeck, bis 2011, wohnte.

Im Dezember 2012 starb Helmut Psotta, in Begleitung von Arndt Beck und Raúl Avellaneda, im Haus des Künstlers in Wesel.

„Nach dreißig Jahren musste ich von einem Teil meiner Selbst Abschied nehmen. Ich fühlte mich kalt und versunken, in einer mir bekannten Einsamkeit. Motiviert von der inneren Kraft, die ich in drei Jahrzehnten meines Lebens von Helmut bekommen hatte, suchte ich weitere Wege im künstlerischen Ausdruck.“

Avellaneda arbeitet bis heute an aktuellen gesellschaftlichen Themen, als Folge des Macht-Missbrauchs:

Die verbrecherische Machtstruktur der katholischen Ideologie und deren Perversionen, die Problematik von Kindern als Opfer des kapitalistischen Systems, sowie menschenverachtende Strukturen, sind einige Themen, die vom Künstler in Bildern und Objekte verarbeitet werden.

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